Untergehen ist das Eine, unter der Oberfläche bleiben das Andere. ;-)

Samstag, 8. Mai 2010

Die Kraft der zwei Stellen Teil 3

In jungen Jahren soll der Tommy mal in den Mühlteich gefallen sein. Seitdem ist der nicht totzukriegen. Oben auf dem Spukboden werden die Parapsychos nur ein paar Kratzspuren am Müllerselbstmordbalken finden, die sie sich nicht erklären können und an denen sie sich die Zähne ausbeißen werden. Bestenfalls werden die denken, daß das Kinderhände waren. Aber ein Kind mit so scharfen Fingernägeln? Die kommen nie darauf, daß dort der Kater am Werk war! Dem ist mal ein Traktor über die Pfoten gefahren ... Dem hat es nichts weiter getan, als das er jetzt etwas breitere Spuren hinterläßt.

14 mal ist der überfahren worden! 6 mal vom dem selben Traktor! 4 mal von einem LKW, zweimal vom Museumsbarkas, einmal hat ihn der Gunnar mit seinem Trabbi platt gemacht und letztens hat er seinen Gang durch den Mähdrescher angetreten.
Mal davon abgesehen, daß ihn der Försti ein paar mal erwischt hat. Die zwei können sich nämlich nicht leiden, seitdem der Tommy seine Rauhaardackelhündin gepreßt hat.
Der Rekord liegt bei 37 rausoperierten Schrotkugeln. Die mußte ich ihm auch höchstselbst mit der Augenbrauenzupfpinzette der letzten Müllerin entfernen. Der Tierarzt, beim dem der Tommy sonst immer war, ist einfach schreiend aus dem Fenster gesprungen, als er den Tommy gesehen hat. Irgendetwas von Teufelswerk hat der gefaselt und das eine Katze nur neun Leben hat, aber nicht unendlich viele. Der muß den Kater schon länger kennen als ich ...
Stimmt schon. 37 Schrotkugeln ... Da steht jede Kugel für ein Grad Körpertemperatur eines Menschen habe ich mir später überlegt. Was kann das bedeuten? Egal, im Erzgebirge treibt der Aberglaube noch seltsame Blüten.

Ich werde mal mit dem Gunnar reden, ob wir das mit der Pilgerstätte hinkriegen. Das Mühlteichwasser muß magische Kräfte haben. Guck dir doch mal die Katze an! Der sieht aus wie frisch geschlüpft!

Die Pilgerstätte ... Das wäre schön! Menschen, denen wir helfen können und denen wir mit Karlis Bockwürsten die Zeit in der Warteschlange zum Mühlteich verkürzen. Die Bierbude machen dann wir beide. Das wird ein Leben! Ein bißchen Bier zapfen und dabei Menschen retten. Da schlägt die Kaufkraft zu!

Ich muß einfach mal mit dem Gunnar reden! Wenn dem das eine Nummer zu groß ist, lassen wir einfach den Tommy in einer Schrottpresse verschwinden und erzählen den Leuten, das er im Mühlteich, nach heldenhafter Gegenwehr, Opfer von Piranhas geworden ist.
Da der Tommy im Tal bekannter als ein bunter Hund ist, drückt es bei der Todesnachricht den Leuten mächtig auf die Tränendrüse und sie können den ganzen Tag darüber gerüchten, wo die Piranhas herkommen. Wer die dort ausgesetzt hat, um den Museum zu schaden.
Damit wäre unser Ziel auch erreicht: Die Mühle ist wieder in aller Munde. Mal gucken, für was sich der Gunnar entscheiden wird. Wenn er die Pilgervariante wählt, habe ich schon einen Namen für unser Bierzelt: Zum Piranha!

Aber wir werden mit dem Bekanntwerden doch klein anfangen müssen. Erstmal kommt die Anzeige, die wir beim Horsti schalten werden. Erzähl ich dir dann. Das war auch eine Idee vom Gunnar.

Der Gunnar ... An seinem Namen kannst du schon erkennen, daß der unmöglich ein alteingesessener Bewohner meines Tales ist. An seinem Namen kann man kein i oder l zum verniedlichen anhängen, so wie es hier der Brauch ist.
Aber laß dich von seinem Namen nicht täuschen. So weich wie der klingt, so nach Sozialpädagoge mit einer schweren Kindheit, ist der Knabe keinesfalls.
Am besten kannst du dir ihn vorstellen, wenn du den Karl May und den Stülpner Karl in einer Person vereinst. Wie der mit den Fördertöpfen umspringt! Alle Achtung! Das mit unseren Museumsbarkas war auch so ein Husarenstück. Wie der sie rumgekriegt hat, das sie den Neuaufbau bezahlen! Was das gekostet hat! Da ist die Reparatur eines totalgeschrotteten Audi A4 nichts dagegen! Aber der Gunnar hatte sich in den Barkas verliebt, da kam kein anderes Auto in Frage.

Außerdem brauchen wir beide einen geräumigen Transporter, wenn die Anzeige geschaltet ist und wir zu den alten Leuten fahren.

Was hat der denen vom ›zinnernen Erzgebirge‹ nicht alles erzählt! Der Gunnar wußte doch, daß es schwer werden würde, den Fördertopf zu überzeugen, den Barkas zu restaurieren.
Also hat er alle Register gezogen: Daß ein modernes Auto nicht zu einem Fachwerkhaus paßt, was unter Denkmalschutz steht.
Daß der Barkas für die Leute im Tal selbst schon ein Denkmal ist. Die sind mit dem großgeworden und was hat das Auto nicht alles für sie getan! Früher hat der doch der Gemeinde gehört! Ins Ferienlager soll er die gefahren haben und im Winter in die Schule!
Jedes Jahr war der Barkas bei der Ernte mit dabei. Bei der Feuerwehr soll er auch ausgeholfen haben! Eine Kirmes ohne Barkas? Undenkbar! Wer hätte denn die Bockwürste rankarren sollen, wenn nicht der Barkas?
Kurz: Der Barkas ist die zentrale Figur im Tal. Mit ihm verbinden die Menschen schöne Erinnerungen und die Hoffnung, daß die Zeiten auch mal wieder so schön werden.
Wenn der Barkas in den Schrott geht, gefährdet das die ganze Region. Den Menschen hier würde damit die letzte Integrationsfigur genommen und sie würden keinen Sinn mehr darin sehen, im Tal wohnen zu bleiben und in die Stadt abwandern. Zur Jahrhundertflut hat der Barkas auch sein Auto gestanden, die Notversorgung mit übernommen und somit Leben gerettet.

Damit hat er den Fördertopf überzeugt und die haben die Kohle springen lassen. Denen ist gar nicht aufgefallen, daß der Gunnar mit keiner Silbe erwähnt hat, wozu er die Kiste überhaupt braucht und das es hier gar keine Flut gab? Nur 10cm erhöhter Wasserstand? Die Flut wurde erst später bei uns eingeführt und sie hat so manchem finanziell den Arsch gerettet. Dem Horsti zum Beispiel. Ohne sie wäre der nie bis Hamburg und zurück gekommen! Wer hätte das denn bezahlen sollen, wenn nicht der Fördertopf für Informationsdichte? Das erzähl ich dir dann später, sonst kommen wir hier durcheinander.

Später hat mir der Gunnar erzählt, daß er bei dem Barkas schön blöd gewesen ist. Er wäre besser gekommen, wenn er sich wie Münchhausen auf die Kanonenkugel geschwungen hätte, um den Fördertopf kompromißloser zu torpedieren. Wenn er das Auto gleich als Verfolgten der SED-Gewaltherrschaft dargestellt hätte, wäre vielleicht noch eine Opferrente für die Kiste drin gewesen und er müßte sich für die Sprit-, Versicherungs- und Steuerkosten keinen Kopf mehr machen. Schließlich hat die SED Führungsriege dem armen Barkas lebensnotwendige Ersatzteile vorenthalten und ihm nur, wenn überhaupt, mit schlechtem Sprit versorgt.

Aber man lernt ja nie aus und er wird schon einen Weg finden, um die Kosten für das Auto zu erwirtschaften. Eine Garage brauchen sie ja auch noch für unser Schmuckstück. Er meint, daß ihm dazu schon was einfällt. Wenn er zum Beispiel eine Hausmeisterstelle für die Garage genehmigt bekommt, aber den Tommy pro forma dafür einstellt, hat er die laufenden Kosten für den Barkas rein. Der Fördertopf weiß ja nicht, das der Tommy eine Katze ist und der Tommy weiß auch nicht, das er eine Hausmeisterstelle bekommen hat und dafür Geld verlangen kann.

Die haben sie jetzt beantragt. Die Garage. Eine Tiefgarage mit 20 Stellplätzen. Einen für den Barkas, 19 für die Vereinsmitglieder und eventuell noch für Besucher des Museums. Aber eigentlich wollen die eine Garage nur für den Barkas aber mit integrierter Selbsthilfewerkstatt für die Mopeds der Taljugend.
Jetzt wird es kompliziert: Beantragt haben sie die Tiefgarage, um einen Fachwerkbau zu bekommen. Der Gunnar meint, daß ein Fördermittelantrag und ein Schachspiel, so ziemlich das selbe ist.
Die bezahlen einem doch auch nicht alles. Als der Horsti vorigen Jahres endlich in Hamburg angekommen ist und, um die Informationsdichte im Osterzgebirge für die ländliche Bevölkerung zu erhöhen, ein U-Boot plus Besatzung mieten wollte, haben sie den auch gestoppt. Da ging kein Weg rein und der Horsti hat gerade noch so die Rückfahrkosten erstattet bekommen.
Seitdem ist der Horsti beim Fördertopf etwas in Ungnade gefallen und er muß erst mal still halten, bis Moos über die Sache gewachsen ist.

Daraus hat der Gunnar gelernt. Er meint, daß der Gegner, also der Fördertopf, erst einmal einen Riesenschreck bekommen muß, vor dem was er wieder alles bezahlen soll. Gleichzeitig mußt du ihm aber, wie beim Schach, eine Fluchtmöglichkeit lassen, die er dankbar annimmt, um dir völlig in die Falle zu laufen.
Ist die Finte richtig angesetzt, stürzt er sich in dein Schwert, ist auch noch glücklich dabei und denkt, daß er die Fäden in der Hand hatte. Die Problematik kennst du doch. So mehlig-grau wie du um die Nasenspitze aussiehst, wurdest du auch geheiratet.

Der Fördertopf mahnte also an, daß eine einfache einbruchsichere Garage als Wetterschutz für den Barkas reichen muß. Schließlich hat er das Teil bezahlt und kann sich nun schlecht aus der Werterhaltung desselben raushalten. Damit hat der Gunnar gerechnet und setzt nun zur Rochade an.
Das der Försti schon längst mit im Mühlenboot sitzt, weiß ja keiner. Der hat nun ein Schreiben aufgesetzt: Das er von dem geplanten Garagenbau an der Mühle gehört hat und daß er da so seine Befürchtungen wegen dem Tierschutz hat. Es könnte sein, daß dort eine Population mit der kleinen Hufeisennase lebt und flattert. Das ist eine äußerst seltene und schwer geschützte kleine Fledermausart, die eigentlich nur in Gebieten vorkommt, wo Brücken gebaut werden sollen. Ihre Nase ist sehr feinfühlig und wirkt wie ein Hufeisenmagnet.

Sobald die merkt, daß in einem Gebiet eine Brücke gebaut werden soll, ist die nicht mehr zu halten und siedelt sich dort sofort an. Warum auch immer.
Gott wird sich schon etwas dabei gedacht haben, als er sie erschuf.
Weiter schreibt der Försti, daß es sein kann, daß die kleine Hufeisennase, um ihre Art erhalten zu können, mutiert sein muß. So viele Brücken werden ja nicht mehr gebaut. Da wird der Lebensraum knapp für die Fledermaus. Es könnte sein – er betont: Es könnte sein, daß diese mutierte Unterart sich nun dort ansiedelt, wo neu gebaute Garagen geplant sind. Das wäre wissenschaftlich zu untersuchen und der Garagenbau wäre im Lebensraum der Fledermaus nur noch unter Tage möglich. Bis ein genaues Gutachten der Tierschutzbehörde vorliegt, würde er nur den Bau einer Tiefgarage befürworten. Alles andere müßte er bis dahin stoppen, um die zu schützende Fledermaus zu schützen.

Es sei denn, die Garage wäre ein kleiner Fachwerkbau des frühen Barocks. Die Wissenschaft hat festgestellt, daß die kleine Hufeisennase, mit diesen Bauten merkwürdigerweise kein Problem hat, und es als Lebensraum annimmt. Die würden einfach im Dachboden bammeln und schlafen. So ein Bau wäre kein Problem.

Dann hat er, mit einem grünen Marker, sein Spendenkonto dick unterstrichen.
Der Fördertopf hat den Wink verstanden und ein paar Euros überwiesen, damit von dem Försti keine Gefahr mehr ausgeht und der alle Fünfe gerade sein läßt.
Falls doch jemand mißtrauisch werden sollte, und mal gucken kommt, ob an der kleinen Hufeisennasenstory was dran ist, malen wir dir einfach ein kleines u auf die Nase und du flatterst ein bißchen durch das Gebüsch.
Nein, das war ein Scherz.

Dann haben die vom Fördertopf den Gunnar angerufen und ihm erzählt, das der Landschafts- und Tierschutz eine Tiefgarage nicht genehmigt, weil dort der Lebensraum der kleinen Hufeisennase wäre und er sich mit einem ganz kleinen einstöckigen Fachwerkbau begnügen muß.
Da hat der schnell eingelenkt und erklärt, das er damit einverstanden wäre, wenn wenigstens ein Extraraum für eine Selbsthilfewerkstatt mit dabei ist. Werkzeuge inklusive.
Das bißchen Jugend, was noch im Tal lebt, würde nämlich abwandern, wenn die nicht wissen, wo sie ihre über zwanzig Jahre alten S-50 Mopeds ganz schrauben könnten. Außerdem könnte man dort auch gleich den Barkas warten und müßte nicht jedesmal in die teure Werkstatt fahren.
Als Kfz-Mechaniker mit pädagogischer Zusatzausbildung hätte er den Barkas und die Jugend im Griff.

Der Fördertopf hat freudig zugestimmt und wurde von der Kontrollkommission gelobt, wie verantwortungsvoll er mit seinen Mitteln umgeht.
Siehst du: Der freudige Schwertsturz. Von dem Gunnar können wir alle lernen. Der hat jetzt schon den Spitznamen Möllemann des Ostens weg.

Mensch! Du machst mich ganz wuschelig mit deinem flattrigen Blick! Kannst du nicht sportlich gucken? Das könntest du gebrauchen... Weiter geht es!

Fortsetzung folgt

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